AutorInnen: Corinna HAAS, Rudolf MUMENTHALER, Karsten SCHULDT
Titel: Ist die Bibliothek ein Dritter Ort? Ein Seminarbericht
Zusammenfassung
Das Schlagwort „Dritter Raum“ beziehungsweise „Dritter Ort“ hat sich in den letzten Jahren im Bibliothekswesen etabliert. Es beschreibt strategische Entscheidungen von Bibliotheken, sich als Kommunikationsort und gesellschaftlichen Raum zu entwerfen. In einem Seminar an der HTW Chur wurde das Schlagwort einer kritischen Prüfung unterzogen. Zuerst wurde die Herkunft und heutige Nutzung des Schlagworts überprüft. Dabei zeigten sich relevante Differenzen sowohl zwischen der Originalliteratur, die im US-amerikanischen Rahmen der 80er und 90er Jahre angesiedelt ist und der heutigen bibliothekarischen Verwendung, als auch zwischen Bibliotheken, die das Schlagwort nutzen. In einem weiteren Schritt überprüften Studierende in verschiedenen neu- oder umgebauten schweizerischen Bibliotheken forschend die These vom „Dritten Ort“. Die Arbeiten der Studierenden zeigten vor allem Bibliotheken, die infrastrukturell „Dritte Orte“ sein wollen, aber von den Nutzerinnen und Nutzern nicht als solche akzeptiert werden. Der Text stellt die im Seminar geleistete Arbeit dar und schliesst mit offenen Fragen, die sich aus den festgestellten Differenzen zwischen bibliothekarischem Diskurs, Realität in den Bibliotheken und Zielen der Originalliteratur ergeben.
Schlüsselwörter
Dritter Ort, forschendes Lernen, Kommunikationsort, Ethnologie, bibliothekarisches Selbstverständnis
Lesen Sie bitte diese Hinweise zum Open Peer Review in Informationspraxis und nutzen Sie die Kommentarfunktion hier im Blog für ihre Beiträge zum Open Peer Review.
Es war nett, mit dem Soziologen Oldenburg den Ursprung der Theorie der „dritten Orte“ vorgestellt zu bekommen (S. 7ff.). Man hätte doch herausstreichen können, dass er mit dieser Theorie letztlich normativ vorgeht, er setzt irgendwelche gesellschaftlichen -Entwicklungen voraus, die er kritisch einschätzt und setzt dagegen die Idee der „third places“, die er zu definieren sucht (S. 9ff.). Vielleicht ist es im Originaltext klarer und fundierter – mir scheint dies alles doch recht aus dem hohlen Bauch heraus formuliert zu sein. Kurz: mir scheint aufgrund der Darstellung diese Theorie recht programmatisch zu sein und ich frage mich dann auch nach der Reichweite: Sind die „dritten Orte“ gesamtgesellschaftlich zu sehen, oder bezogen auf bestimmte Schichten oder Altersstufen? Nun gut, die Autoren haben zur Einordnung von Oldenburg lediglich das Label „konservativ“ und „in Teilen fortschrittlich“ zu bieten, ebenfalls normativ und nicht sehr differenziert.
Analytisch hilfreicher finde ich da die Stelle mit dem Lefebvre-Raster (S. 20f.), wobei ich c) noch ausbauen würde für bestimmte Benutzergruppen oder auch für bestimmte Benutztungszeiten. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass für manche Benutzergruppen die Bibliothek eher als Dritter Ort funktioniert und für andere als Lernort und dass sich dies über Tageszeiten hinweg verteilt.
Eine dritte Stelle, zu der ich etwas sagen wollte, finde ich jetzt nicht mehr. Irgendwo war der Vorschlag, die „zweiten Orte“ (= Arbeitsplatz, eventuell Lernorte) nicht so stark von den „dritten Orten“ zu unterscheiden. Ich fände das fatal, denn diese Unterscheidung sollte doch gerade dazu führen, analytisch Nutzungsformen bzw. Potentiale zu unterscheiden und dadurch nutzbar zu machen für Überlegungen zur Funktion/Ausgestaltung von Bibliotheken.
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Generell zum Open Peer Review, wie es hier geboten wird: Engzeilige Texte sind eine Zumutung. Und eine Rückmeldung in einem Kommentarfeld nicht minder. Wenn ich nicht gleich an Ort und Stelle kommentieren kann, sinkt die Motivation und sinkt auch die Möglichkeit, an konkreten Stellen eine Diskussion zu entwickeln. Die GMW hatte doch schon im zweiten Jahr ihren Pre-Tagungsband mit Kommentarfunktion http://2014.gmw-online.de, das wäre die Technik, die ich dem Verfahren angemessen fände.
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Lieber Jürgen Plieninger,
vielen Dank für den konstruktiven Kommentar.
Als Mitglied der Redaktion nehme ich hier lediglich Bezug auf den Teil, der sich auf das Open Peer Review und das Format der Veröffentlichung bezieht.
Dass einzeilige Texte nicht optimal geeignet sind für die Kommentierung von Texten ist nachvollziehbar. Bei künftigen Veröffentlichungen werden wir die Textformatierung entsprechend anpassen.
Ein optimiertes Verfahren und geeignete Werkzeuge für das Open Peer Reviews stehen auf unserer Agenda ganz oben. In den kommenden Tagen haben wir dazu, nach längerer Sommerpause mal wieder, eine Redaktionskonferenz. Über Anregungen (nicht nur!) zum OPR freuen wir uns daher. Überhaupt ist Input zu den einzelnen Bereichen und Beteiligung an den Veränderungsprozessen bei Informationspraxis sehr erwünscht. Anregungen und Ideen gerne auch per Mail direkt an die Redaktion: info [at] informationspraxis.de
Das Beispiel der GMW sehen wir uns sicher noch genauer an. Darüber hinaus überlegen wir gerade, ob das Tool der
hypotheses.orghypothes.is, in dem online direkt ein Dokument annotiert und kommentiert werden kann, für Informationspraxis eine Alternative zum bisherigen Verfahren sein kann.Über mögliche Ergebnisse und die weiteren Entwicklungen werden wir schließlich hier im Blog berichten.
Freundliche Grüße
Gabi Fahrenkrog
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